Aus der Asche der Looking Glass Studios erhob sich Drehbuchautor und Spieldesigner Ken Levine. Er kreuzte mitreißende Stories mit der bewehrten Simulationen einer realistischen Welt und schob die Action weiter in den Vordergrund. Heraus kamen einige der besten Geschichtsgetriebenen Spiele der heutigen Zeit. Spiele die so gut waren, dass die Leute sie als Kunst bezeichneten. Erlebt in den kommenden Minuten die Entstehung, den Werdegang und das Ende von Irrational Games.
Mit seiner Vorliebe für Bücher war Ken Levine in seiner Schulzeit der Ober-Nerd und zog die Schläger förmlich an. Ken flüchtete sich in Phantasien, wie er seine Peiniger bezwang. Besonders die X-Men Comics wurden zu seinen Kindheitslieblingen und Filme wie „Flucht ins 23. Jahrhundert“ (Logan’s Run) prägten seine Affinität für Sci-Fiction. Mit 15 schrieb Ken im Sommer-Camp eine Theateraufführung und zum ersten Mal mochten ihn die anderen. Davon angetrieben begann er Kurzgeschichten und weitere Theateraufführungen zu schreiben. In seiner Zeit am Vassar College in Poughkeepsie New York, arbeitete Ken nebenbei als Schreiner für den Powerhouse Theater Workshop und freundete sich dort mit dem Schreiber des Theaters, Jon Robin Baitz, an. Jon war damals in New York sowie Los Angeles tätig und stellte Ken Tracy Jacobs von der United Talent Agency vor. Sie war Kens Ticket von Upper Saddle River, New Jersey nach Los Angeles. Paramount flog Ken an die Westküste und er bekam mit gut 20 seinen ersten Gig neben dem College. Als er seinen Schulabschluss in der Tasche hatte, kaufte er ein One-Way-Ticket und siedelte sich in L.A. an.
Sein erster großer Auftrag wurde es eine romantische Komödie zu schreiben, welche die christliche Popmusik Sängerin Amy Lee Grant in einen Filmstar verwandeln sollte. Vom Erlös des „The Devil’s Advocate“ Skripts kaufte Ken sich ein Sega Master System und einen Videorekorder. Fünf Jahre lang schrieb er tagsüber Skripte, die nicht realisiert wurden und spielte Nachts Videospiele. Dann gestand er sich eines Tages ein, dass seine Karriere nirgendwo hin führte, flog nach New York zurück und verdiente sein Geld damit Microsoft Office auf Wallstreet Rechnern zu installieren. Seine neue Inspiration fand Ken auf der Rückseite eines Videospielemagazins, in Form einer Anzeige der Looking Glass Studios, die Game Designer suchten. Obwohl Ken gänzlich die Erfahrung für den Job fehlte, bewarb er sich und zu seinem Erstaunen war Looking Glass von seinem Resümee begeistert.
Looking Glass war wie eine Farm von MIT Absolventen. Obwohl der mittlerweile 29-jährige ähnlich intelligent war, war er doch eher der Theater-Geek. Aber Doug Church, der Kopf hinter System Shock und Underworld, nahm Ken unter seine Fittiche. Mit Doug begann Ken die Geschichte eines Action RPGs zu schreiben, das Thief werden würde. Doug war das klassische Genie, das manchmal um ein Uhr Morgens zur Arbeit erschien und dann für mehrere Tage gar nicht. Ken war das egal, er wartete immer auf Doug und arbeitete bis zum Umfallen mit ihm zusammen. Die gesamten Puzzle-Teile seiner Vergangenheit, die Bücher, Comics, Theaterstücke und Videospiele, griffen endlich ineinander.
Trotz ihrer spielerisch grandios guten PC Rollenspiele in realistischen Welten, wurden die Looking Glass Titel nie zu den großen Kassenschlagern der id Software Konkurrenz. Daher beschloss LG’s Chef Paul Neurath das Produktspektrum der Firma auf Konsolen-Portierungen und bekannte Franchise auszuweiten. Die Looking Glass Studios besiegelten einen Vertrag mit Viacoms neu gegründetem Videospielezweig Viacom New Media, welche Adventures wie „Star Trek: Deep Space Nine – Harbinger“, „Sherlock Holmes: Consulting Detective“ oder die MTV’s Beavis and Butt-Head Reihe produzierten. Nach der Fertigstellung des Thief Konzepts bekam Ken 1995 den Auftrag zusammen mit Jonathan Chey und Rob Fermier ein Adventure auf Basis von Star Trek: Voyager entwickeln. Interplay hatte die veraltete „Star Trek – The Original Series“ Lizenz drei Jahre zuvor mit ihren Point-And-Click-Adventures in eine Goldgrube verwandelt und etwas ähnliches erhofften sich die beiden Firmen nun ebenfalls.
In Voyager sollte der Spieler Kathryn Janeway und ihre Crew durch drei Spielepisoden führen. Bei der Auffrischung von Vorräten auf einem landwirtschaftlichem Planeten, wurde ein Teil der Voyager Crew von den Kazon entführt und der Spieler musste sie in der Rolle von Captain Janeway über verschiedene Alien-Planeten hinweg verfolgen. Neben dem typischen Looking Glass Kampfsystem sollte der Spieler Objekte mit dem Tricorder scannen können und dadurch in eine Art virtuelles Inventar übertragen. Mit diesen Gegenständen mussten wiederum mechanische Puzzles gelöst werden, die bis zu komplexen Maschinen wie in Dynamix damaligem The Incredible Machine reichten. Durch Verwendung von LG’s bereits bestehender Engine-Technologie sollte Voyager bereits nach einem Jahr fertig sein. Das Entwicklerteam reiste zu den Originalsets und fertigte 3D Laser Scans der Räume und Objekte an. Die mit 3D Studio und Alias gestalteten Charaktere wurden mit dem Animationssystem von Terra Nova zum Leben erweckt und die Stimmen der Originalschauspieler verliehen ihnen den letzten Schliff. Doch wie üblich zog sich die Entwicklung einige Monate länger hin. Genauer gesagt bis in den Frühling 97. Wo der Viacom Mutterkonzern schließlich beschloss ihren Videospielezweig, nach einem mittlerweile 100 Millionen Dollar Verlust, dicht zu machen. Für die Looking Glass Studios war es ein weiterer herber Rückschlag, der erneut in Entlassungen resultierte. Das mittlerweile gut befreundete Trio aus Ken Levine, Jonathan Chey und Robert Fermier beschlossen daher im April 1997 ihre eigene Firma zu gründen: Irrational Games. Rob war für die technischen Aspekte zuständig, Jon für die geschäftliche Seite und Ken für den kreativen Teil.