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Sensible Software – Mit Pot und Rock’n’Roll zu innovativen Spielen

by Pandur
Fussballfeld aus der Vogelpespektive mit winzigen Spielern
Sie waren Europas beste C64 Entwickler und lieferten mit jedem Spiel innovative Spielkonzepte ab. Ihr Mega lo Mania kombinierte Echtzeitstrategie mit Technologie-Bäumen, für die Civilization wenig später berühmt wurde. Aber der wahre Durchbruch gelang ihnen mit Sensible Soccer, was den Stil minimalistischer Spielfiguren festigte. Beim Sprung ins neue Konsolen-Zeitalter waren sie urplötzlich verschwunden. Was war geschehen? Erlebt es in den kommenden Minuten und genießt die Geschichte von Sensible Software.

Was Heimcomputer und Videospiele an geht, so hat jedes Land seine eigenen Pioniere. Die Heimcomputer-Hardware von Großbritannien wurde Anfang der 80er maßgeblich von Sinclairs ZX Spectrum und dem BBC Micro des gleichnamigen Fernsehsenders angetrieben. Zu genau dieser Zeit, Ende 1981, trafen sich die beiden 15-jährigen Jon Hare und Chris Yates auf der Rückfahrt von einem Rush-Konzert in der Wembley Arena Londons im Zug. Sie waren beide mit Freunden dort gewesen, die sich gegenseitig kannten. Aber obwohl Jon und Chris seit Jahren zusammen die Great Baddow Comprehensive School in Chelmsford besuchten, wurden sie einander in dem Augenblick erstmalig vorgestellt. Halb stoned beschlossen die beiden eine Band zu gründen, Zeus. Im Laufe der folgenden Jahre, wechselten sie mehrfach den Bandnamen sowie Band-Mitglieder. Ihr vermutlich größter Durchbruch war, dass sie 1984 die Village Hall der Nachbarstadt Latchingdon bis zum Rand füllten. Als sie sich zum fünften und letzten Mal in Touchstone umbenannten, rasselten beide gerade durchs College. Jon hatte am Colchester Institute Theater Design sowie Drama studieren wollen und Chris diverse Informatik Kurse besucht. Auch wenn daraus nichts wurde, bestellte sich Chris einen der besagten Sinclair ZX 81. Damals gab es diverse Versandhändler, die es ermöglichten Ware 30 Tage zu testen und bei nicht gefallen zurückzuschicken. Genau das tat Chris und beschaffte sich so über drei Monate hinweg immer wieder neue Computer, an denen er sich selbst Programmieren beibrachte.

Im Januar 1985 schrieben Chris und Jon ihr erstes gemeinsames Spiel, oder besser gesagt Programm. Sing a Song of Sixpence war mehr ein Karaoke Programm, als ein echtes Spiel. Ihm folgte das Mystery Game Escape from Sainsbury’s. Wohl gemerkt keine Spiele, die wirklich publiziert wurden. Aber zwei Monate später hatte Chris eine kleine Demo erschaffen, in der Snoppy auf seiner Hundehütte durch die Luft flog. Damit stellte er sich bei LT Software im 20 Minuten entfernten Basildon vor. Spielprogrammierer waren damals noch rar gesät und so gab LT Software Chris augenblicklich einen Job. Er durfte Gandalf the Socerer vom C64 auf den ZX Spectrum portieren. Jon unterstützte ihn dabei, indem er Drachen und andere Grafiken für das Spiel zeichnete. Was ihm ebenfalls einen Job bei LT Software bescherte. Als Künstler sowie Programmierer arbeiteten beide an unterschiedlichen Spielen, die von Trivial Pursuit über Flyer Fox bis hin zu International Karate reichten. Letzteres war eines der Spiele, die System 3’s Mark Cale bei LT in Auftrag gegeben hatte. Deren nächstes Spiel, Twister: Mother of Harlots, wurde Jons und Chris erstes eigenes veröffentlichtes Videospiel. Mark Cale gab das Thema vor und den Rest erledigte das Duo. Grundlegend entstand dadurch ein Tron-artiges Spiel, das eine Frau mit großen Titten einschloss. Was will man machen, wir reden hier immerhin von zwei 19-jährigen, die ihre Freizeit hauptsächlich damit verbrachten Gras zu rauchen und Rockbands nachzueifern.

Als Twister Ende 1985 fertig war, stellten die beiden durch Mark Cale etwas fest. LT Software strich 85% der Verdienstes ein, während sie 100% der Arbeit erledigten. Chris und Jon beschlossen ihre eigene Firma zu gründen. Doch dummerweise lebten beide noch bei ihren Eltern und kamen mit dem Verdienst von LT Software kaum vorwärts. Die eiserne Lady, Margaret Thatcher, hatte damals jedoch ein Förderprogramm für genau diese Zielgruppe ins Leben gerufen. Es unterstützte junge Unternehmer mit 40 Pfund pro Woche. Alles was das Programm bedurfte, waren 1.000 Pfund auf dem Konto und 13 Wochen Arbeitslosigkeit. Chris und Jon nahmen LT Softwares nächsten Auftrag an, Runestone auf den ZX Spectrum zu portieren, wofür sie genau 2.000 Pfund bekamen und meldeten sich dann exakt 13 Wochen arbeitslos. Als die Zeitspanne vorüber war, gründeten sie im März 1986 in Chelmsford, Essex, Sensible Software. Der Name hatte keine echte Bedeutung. Es war lediglich etwas, was dem Duo einfiel und sich ihrer Meinung nach gut anhörte, als sie stoned waren. Sensible Softwares „Büro“ wurde für’s erste Jahr das Gästezimmer von Chris Elternhaus.

Die Arbeitslosigkeit nutzte das Duo um mit der damaligen britischen C64 Szene im Compunet abzuhängen und so die Kniffe der C64-Entwicklung zu erlernen. Das Compunet, später CNet genannt, war eine frühe britische Form des Internets, das stark an Bulletin Board Systemen orientiert war. Aber natürlich spielten sie während der Zeit auch sehr viele Videospiele. Ihr damaliges Lieblingsspiel war das von Archer Maclean programmierte Dropzone. Ebenso hatten es ihnen Spielautomaten wie Gradius oder Salamander angetan. Somit stand das Genre für Sensible Softwares erstes Spiel bereits fest. Es musste ein Shoot’em’up werden. Das Core Design Team, die zu dem Zeitpunkt noch für Gremlin Graphics arbeiteten, hatten in England außerdem gerade Bounder herausgebracht. Das war zwar eher ein Geschicklichkeitsspiel, aber das Parallax-Scrolling des hüpfenden Tennisballs hatte es Chris angetan. Er begann auf Basis dieser Technik einen Shooter aus der Draufsicht zu programmieren, der ebenfalls zwei unterschiedlich schnell scrollende Hintergrundebenen zeigte. Genau wie beim Bounder Tennisball, konnte das Schiff, ihres schlicht Parallax getauften Spiels, auf verschiedene Ebenen wechseln. Weshalb Jon und Chris überlegten, was sich daraus für eine Mechanik entwickeln ließe. Schnell kamen sie auf die Idee, den Spieler aus dem Schiff aussteigen und auf der Oberfläche herum laufen zu lassen. Das letztliche Spielprinzip, was zur damaligen Zeit gänzlich ungewöhnlich für ein Shoot’em’up war, bestand daraus, als Person in Gebäuden Wissenschaftler zu kidnappen oder zu töten. Durch letzteres ließen sich Schlüsselkarten erbeuten. Mit diesen konnten wiederum neue Gegenstände im Shop gekauft werden, oder, wurden sie am „The Big One“ Computer benutzt, erhielt der Spieler ein fünftel des Codes. Den Code brauchte er wiederum, um den Schild am Level-Ausgang zu senken. Dahinter verbarg sich die Geschichte zur Rettung der Erde. Denn die Außerirdischen, auf dessen Planeten sich der Spieler befand, planten einen Angriff auf die Erde und der Spieler konnte ihn nur abwenden, wenn er durch alle fünf Level entkam. Natürlich ging das gesamte Unterfangen auf Zeit, denn der Spieler besaß nur begrenzt Sauerstoff.
Als Jon und Chris nach zwei Monaten Arbeit einen ersten Prototypen fertig hatten, riefen sie bei Ocean Software an und baten um einen Termin. 1986 war Imagine Software gerade untergegangen und Psygnosis hatten sich aus deren Asche noch nicht vollständig erhoben. Womit Ocean, welche beinahe alle alten Imagine Software Projekte aufgekauft hatte, Großbritanniens größter Publisher war. Während die beiden Oceans Mit-Gründer Jon Woods kennenlernten, teste Martin Galway im Hinterzimmer Parallax und befand es für äußerst gelungen. Wodurch das Sensible Software Team von ihrem ersten Verkaufsversuch tatsächlich mit einem Entwicklungsbudget von 5.000 Pfund nach Hause fuhren. Sie feierten das Ereignis im Speisewagon des Zuges mit Steaks und Zigarren. In den folgenden sechs Monaten vollendeten Jon und Chris die Grafiken, Mechaniken und verbleibenden Level. Unterdessen komponierte Martin Galway bei Ocean die Musik des Spiels sowie Soundeffekte. Als Parallax im November 1986 für den C64 erschien, heimste es wegen seiner sehr guten Grafik und ungewöhnlichem Spielprinzip Haufenweise gute Wertungen ein. Zzap!64 gab Parallax stolze 93 von 100 Punkten.

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