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Remedy Entertainment – Die verdorbenen Träume der finnischen Future Crew

by Pandur
Schuldgefühle, eine zerbrochene Familie und dickköpfige Charaktere sind die Antriebskraft ihrer Werke. Aus deren Sicht erzählen sie Geschichten durch stets wechselnden Medien. Ihre Spiele warten mit Innovationen auf, die sich andere Firmen nicht trauen zu realisieren. Was sie zu einem der besten Geschichtenerzähler der Welt machte und sie mehr Einfluss auf das Action-Genre hatten als id Software. Dies ist die Geschichte des finnischen Remedy Entertainment.

Finnische Videospielstudios waren im Vergleich zu Japan, Nordamerika oder Großbritannien Spätzünder. Der C64 aber vor allem der Amiga, der sich in Finnland mehr als 200.000 Mal verkaufte, dienten in den frühen 90ern als Pforte für begabte Programmierer, Grafiker und Musiker. Sie demonstrierten ihr Können in Demos, welche das letzte aus den Maschinen herauskitzelten. Die „Future Crew“ war eine dieser Demo-Gruppen. Auf der ersten finnischen Assembly 1992 – damals eine Copy Party, heute ein Gaming Event – veröffentlichten sie ihre „Unreal“ Demo.
Gore mit richtigem Namen Samuli Syvähuoko bekam zu dem Zeitpunkt von seinen Eltern einen PC samt Modem geschenkt und gelangte über die damals verbreiteten BBS in die PC Demo Szene. Die Future Crew erregte seine Aufmerksamkeit, da sie ebenfalls auf dem PC tätig waren. Samuli bot ihnen seine Unterstützung an und lernte zu seiner Überraschung, dass sie ebenso Finnen waren. Er wurde mit der Zeit zum Organisator der Gruppe, rekrutierte immer mehr Leute und knüpfte Kontakte zur Außenwelt. Samuli hatte sich zum Ziel gesetzt, Future Crews Demos, wie die neuste „Second Reality“, in alle amerikanischen BBS zu bringen. Die Demo erlangte in der Szene tatsächlich Weltruhm. Was dazu führte, dass die Future Crew gezielt Demos und sogar kleinere Spiele für größere Firmen anfertigen sollten. Zum Release von Creative Labs 3D Blaster Karte programmierten sie ein „Zarch“ ähnliches Spiel, für die beiliegende Tech-Demo-CD.
Die Demo brachte der Future Crew außerdem die Aufmerksamkeit von Mark Rein ein, einem der Epic Games Gründer. Was dazu führte, dass Future Crews Grafiker Misko Iho aka „Pixel“ mit Mark in die Staaten flog und dort Epic Pinball machte. Wie Misko verstreuten sich immer mehr Future Crew Mitglieder in echte Jobs. Auch Samuli suchte im Anschluss an seinen Schulabschluss 1995 nach einem Ziel im Leben. Bloodhouse und Terramarque, alte Bekannte von der Assembly, hatten es 1994 vor gemacht und eigene Entwicklerstudios gegründet. Also tat Samuli es ihnen gleich. Zusammen mit Markus Mäki, Petri Järvilehto, Sami Nopanen, John Kavaleff und Samuli Vanhatalo formten sie Remedy. Wobei ihr Studio weniger ein Büro war, sondern der Keller von Samulis Elternhaus in Espoos, etwas westlich von Finnlands Hauptstadt Helsinki. Zu dem Zeitpunkt gab es noch keine Chef/Angestellten Beziehung. Niemand wurde bezahlt. Die meist 15 oder 16-jährigen Jungs hofften einfach, ihre Arbeit würde sich eines Tages bezahlt machen.

Ihr erstes Spiele-Projekt begann dort als Olli Tervo und Kim Salo von der TET Demo-Gruppe vorbei kamen und Remedy ihre neuste Routine zeigten, welche 3D-Blöcke auf einer beweglichen Oberfläche darstellen konnte. Mit etwas mehr Arbeit wurde daraus ein Micro Machines ähnliches Rennspiel namens „HiSpeed“. Petri Järvilehto begann als Grafiker des Projektes. Er wurde im Verlauf der Entwicklung langsam zum Koordinator und Verantwortlichem fürs Game Design. Alle beteiligten arbeiteten daran von Zuhause und einmal im Monat trafen sie sich, um die Teile zusammen zu fügen. Mit Apogee Software fanden sie einen Publisher für ihr Autorennen. Die von Scott Miller gegründete Firma, war durch den Vertrieb von Shareware groß geworden und hatte einen enormen Schub erlebt, als sie id Softwares Wolfenstein 3D und Doom vertrieben. Zur Zeit von Remedys Autorennen kündigte Apogee gerade Duke Nukem 3D an und verwandelte sich in 3D Realms. Scott Miller schlug vor, Remedys Autorennen um Waffen zu erweitern, wodurch der Titel des Spiels zu Death Rally wurde.
In dem Top-Down Rennspiel ging der Spieler mit einem VW Käfer an den Start. Er musste mit Siegen oder Beseitigung seiner 29 Kontrahenten Geld auf den 19 Strecken einfahren, um bessere Wagen zu kaufen oder diese aufzurüsten zu können. Die Vernichtung des aktuellen Rivalen, also dem erstplatzierten Fahrer, brachte tatsächlich mehr Kohle ein, als auf Platz eins ins Ziel zu fahren. Die Konkurrenz war jedoch nicht untätig, deshalb floss der Gewinn stets zuerst in Reparaturen und erst danach waren Panzerung, Motor, Minen, Raketenwerfer oder Raketentreibstoff an der Reihe. Der erste Platz brachte dem Spieler hingegen immer einen Satz neuer Reifen ein. Ging es dem Spieler finanziell so richtig dreckig, konnte er sich ebenso Geld von der Mafia leihen. Selbstverständlich mit enormen Zinsen. Die Mafia ließ sich ebenso anheuern, um den größten Konkurrenten aus dem Verkehr zu ziehen. Das galt für alle, bis auf den ultimativen Herausforderer des Spiels in seinem Deliverator. Remedy verlieh sämtlichen Fahrern eine individuelle Persönlichkeit und dank der Verbindung zu Apogee war auch Duke Nukem unter den Rivalen.
Gegen Ende der Entwicklung bat Petri Sam Lake die Texte für die internationale bzw. englische Version zu schreiben. Denn Sam hatte als Einziger der Truppe englische Literatur studiert. Sam Lake, mit bürgerlichem Namen Sami Antero Järvi, dürfte mittlerweile das prominenteste Mitglied Remedys sein. Nicht weil er heute Remedys Creative Director ist, sondern weil sein Foto das Gesicht von Max Payne zierte.
Remedy hatte gehofft, 30.000 oder vielleicht 40.000 Exemplare von Death Rally zu verkaufen, wie es Micro Machines gelungen war. Aber durch 3D Realms und deren neu erlangten Ruhm kam Death Rally sogar auf über 100.000 Verkäufe.

Während Death Rally beinahe reibungslos ablief, traf das nicht auf die beiden parallel laufenden Spiele-Entwicklungen zu. Remedys Cave Flyer „Guntech“ wurde von Virgins Seite aus eingestellt, als es zu 80% fertig war. Ebenso ein weiteres Spiel, was Psygnosis veröffentlichen sollte. Letzteres jedoch wegen Remedys fehlender Erfahrung und geringem Fortschritt der Spielentwicklung. Währenddessen eroberte die Remedy Crew Raum für Raum immer mehr von Samulis Elternhaus, bis seine Eltern nachgaben und auszogen. Die Räume waren gefüllt mit Schreibtischen die in unmittelbarer Nähe eine Matratze hatten, damit der jeweilige Programmierer, Grafiker oder was auch immer von der Arbeit direkt ins Bett fallen konnte. Sie entwickelten erneut drei Spiele, die sie jetzt nur noch über 3D Realms vertreiben wollten. Ein weiteres Rennspiel, das dieses Mal jedoch MicroProse’s Stunt Car Racer deutlich ähnlicher war als Death Rally, ein Weltraum Ballerspiel in Anlehnung an die Babylon 5 Fernsehserie und einen Third-Person-Action-Shooter namens Dark Justice. 3D Realms war bedauerlicherweise lediglich an einem Spiel interessiert und so einigten sie sich gemeinsam auf Dark Justice. Das war 3D Realms dafür gewillt komplett zu finanzieren. Mit dem Vorschuss zog Remedy 1997 endlich in ein normales Bürogebäude und organisierte sich deutlich besser.

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