Ende der 90er erschufen drei Brettspieler aus dem Nordosten Amerikas ein Strategiespiel, was es mit Command & Conquer sowie WarCraft aufnehmen sollte. Bereits ihr Erstlingswerk zementierte den Grundstein eines 700-Millionen-Dollar Franchise. Ihr folgender Schachzug sollte World of WarCraft die Stirn bieten und Microsoft eine Milliardenschwere Cash-Cow liefern. Doch noch vor dem Launch dieses MMORPGs, schloss der Redmonder Konzern das texanische Studio. Die Rede ist selbstverständlich von Ensemble Studios, den Schöpfern der Age of Empires und Halo Wars Reihe. Kommt mit auf eine Reise in die 90er und erlebt den Aufstieg und Fall der Echtzeit-Strategie-Experten.
God Games prägten den Anbeginn der 90er. Ein Videospiel-Genre hauptsächlich etabliert durch Peter Molyneux’s Populous, Will Wright’s SimCity und Sid Meier’s Civilization. Letztgenannter diente ebenso als Brand von Microprose’s Strategiespielpalette. Sid Meier’s Name prangte auf Pirates!, Railroad Tycoon, Colonization uvm. Er sollte durch eine Reihe erfolgreicher Titel Qualität suggerieren. Hinter den Kulissen erledigte aber häufig jemand anders Sid’s ungeliebte Aufgaben. Diese Person war in den ersten Jahren Bruce Shelley, Sid Meier’s rechte Hand. Bruce frühere Arbeit bei Avalon Hill und deren 1830 Brettspiel ließen Microprose’s Railroad Tycoon zu dem hochkarätigen Titel werden, den Käufer aus den Verkaufsregalen rissen. Genauso waren es die täglichen Matches zwischen Bruce und Sid, die Civilization zum Erfolgskonzept formten. Doch wie Sid Meier stieg auch Bruce Shelley eines Tages bei Microprose aus. Hauptsächlich wegen Microprose geringer Besoldung und weil seine Frau einen gutbezahlten Job in Chicago annahm. Auf diese Weise schrieb Bruce vorübergehend Strategy Guides für Prima Publishing.
Viele Jahre zuvor, als Bruce Shelley noch die Uni besuchte, freundete er sich im Brettspielclub der Universität von Virginia mit Rick und Tony Goodman an. Deren Vater fixte die Goodman Brüder bereits im jungen Alter mit Puzzeln an programmieren zu lernen. Als Tony dann Jahre später während seines Studiums mit Narkolepsie diagnostiziert wurde, brach er dieses ab und unterstützte seinen Vater beim Entwickeln von Algorithmen zur Prognose von Aktienkursen. Aber es war ein Geschenk seines Bruders Rick, in Form der Datenbank-Entwicklungsumgebung Paradox, dass Tony die wahre Anwendungsmöglichkeit der Programmierung erkennen ließ. Mit Hilfe von Paradox schrieb Tony einen Application-Generator, der es benutzerfreundlich ermöglichte Datenbank-Anwendungen zu erzeugen. Auf Basis dieses Command Center getauften Programms, gründete Tony mit vier Schulfreunden 1990 die Ensemble Corporation. Eine Firma die bereits 1992 zu den erfolgreichsten 500 der USA zählte.
Doch seitdem Tony in der sechsten Klasse das Pen & Paper Rollenspiel Monsters Monsters spielte, strebte er eigentlich die Spiel-Entwicklung an. Zunächst Brettspiele und dann Videospiele. Seine Ensemble Corporation diente ihm lediglich zur Kapitalbindung und Erfahrungssammlung. Weshalb Tony 1995 zusammen mit Angelo Laudon, einem ebenfalls Spiele-begeistertem Programmierer-Kollegen, begann „Dawn of Man“ zu schreiben. Der Grund, warum Tony nicht früher damit anfing, lag u.a. an MS-DOS. Denn unter Microsofts erstem Betriebssystem Spiele zu entwickeln, bedeutete zunächst Treiber für Maus, Soundkarte und all den anderen Kram programmieren zu müssen. Dinge die aus Tonys Sicht nichts mit Videospiel-Entwicklung zu tun hatten. Als diese Ära dank Windows endete, setzte Tony seinen Plan in die Tat um. Seine Vision für Dawn of Man entsprach einer Art Survival Game. Als Schiffbrüchiger strandete der Spieler auf einer Insel und versuchte Rohstoffe zum Bau eines neuen Schiffs zu sammeln. Dabei stieß er ebenfalls auf Einheimische, die sich teilweise als feindlich entpuppten. Dank Brad Crow, einem Frischling der gerade vom Art Institute of Dallas kam, aber Tony innerhalb einer Viertelstunde mit seinen Ideen umhaute, erhielt dieses Werk die Optik eines epischen Kriegsfilms wie Spartacus oder Alexander the Great. Ein Look, der bis zum finalen Release bestehen sollte.
Tony bat Bruce bereits bei den Grundelementen der Videospiel-Entwicklung um Rat und bot ihm zwischenzeitlich einen Job als Designer Dawn of Mans an. Aber erst mit dem Angebot, Bruce könne von Zuhause in Chicago aus arbeiten, während das restliche Team in Dallas verweilte, stimmte der Ex-Microproseler zu. Damals war der Home-Office-Ansatz äußerst ungewöhnlich. Aber Tony wusste, er bräuchte jemand Namenhaften wie Bruce, um den Ball ins Rollen zu bringen.
Auch wenn Bruce integral für die spätere Gewinnung eines Publishers sein würde, kam der Wendepunkt Dawn of Mans durch jemand anders. Denn bis dahin stand für das Ensemble Team das tatsächliche Genre nicht gänzlich fest. Im Raum standen Dinge wie rundenbasierende Eroberung á la Civilization oder eher eine Simulation wie Sim City? D.h. bis Ensemble Studios zweiter Programmierer, Timothy Deen, eines Tages mit WarCraft II zur Tür rein kam und das Team drängte es zu spielen. Aus dieser Anregung entstand der Gedanke eines Echtzeit-Strategiespiels im Command & Conquer Stil, jedoch mit historischem Rahmen und dem technologischen Hintergrund Civizations. Ein Artikel über kommende Echtzeit-Strategiespiele des Computer & Video Games Magazins bestärkte die Truppe weiter. Denn er listete 50 RTS auf, von denen lediglich Cavedog Entertainment’s Total Annihilation und Auran Development’s Dark Reign herausstachen. Was sie jedoch alle vereinte, war ein bewährtes Science-Fiction oder Fantasy-Theme. Keines dieser RTS setzte auf einen historischen Hintergrund! Für das Ensemble Team gedieh das zu einem großen Vorteil. Denn abgesehen der offensichtlichen Marktlücke, besaßen potentielle Spieler bereits ein Verständnis für das was sie sahen. Ihre „Forschung“ betrieb das Ensemble Team in der lokalen Bibliothek und das, so unglaublich es scheinen mag, größtenteils durch Kinderbücher! Denn die boten, durch ihre unzähligen Bilder, die beste optische Orientierung und außerdem versteiften sich Kinderbücher nicht auf überflüssige Details. Was wichtig war, da ihr Spiel mehr Entertainment als Bildungssoftware werden sollte. Um später mehr Spielraum für eventuelle Fortsetzungen zu haben, beschloss das Team während dieser Forschung mit ihrem Imperienbau in der Urgeschichte zu beginnen und ihn bis zur Antike zu führen. Wodurch auch der finale Titel des Spiels gefunden war: Age of Empires.