Mitte der 90er bestand Electronic Arts aus fünf großen Publishing Labels: Bullfrog Productions, EA Sports, Jane’s Combat Simulations, Origin Systems und den Electronic Arts Studios. Zu diesen kleineren Studios zählten sowohl EAs interne Advanced Technology Group, Peakstar Software als auch Colossal Pictures. Sie brachten über 250 Spiele heraus. 69 davon sorgten für fünf Millionen Dollar Umsatz und über 600 Auszeichnungen. Eines dieser EA Studios war Granite Bay Software, die mit Desert Strike Electronic Arts bis dahin meistverkauftes Spiel produzierten. Kommt mit auf eine Reise an den Anfang der Open World Kriegsspiele.
Anfang der 90er hatte sich Electronic Arts zu einem Publisher gemausert, der nicht nur Spiele vertrieb, sondern seine Programmierer, Designer und Grafiker mit allem unterstützte, was sie brauchten. EA schoss ihnen Geld für ihre Projekte vor, stellte ihnen Entwicklungssoftware, Produzenten, Musiker und sämtliche weitere benötigte Unterstützung zur Seite. Zu Electronic Arts Softwarepalette für diese Entwickler zählten sowohl frühe Textverarbeitungsprogramme wie Cut & Paste als auch Bildbearbeitungssoftware wie Deluxe Paint. Als Trip Hawkins damals bemerkte, wie viel Umsatz Broderbund Software mit ihrem PrintShop erwirtschaftete, vertrieb Electronic Arts ebenso ihre bereits bestehende Organisationssoftwarepalette. Eines der ersten Produkte der Sparte war „Get Organized“ von Mike Posehn. Ein MS-DOS Produkt, das Textverarbeitung und Dateiverwaltung kombinierte.
Trotz der Nerf-Ball-Gefechte und freitäglichen Beer-Busts in den EA Cubicals, verließ Mike das Kalifornische Unternehmen und gründete im Januar 1985 Granite Bay Software. Denn wenige Monate zuvor hatte er die ersten Demos von Commodores neuem Amiga Prototypen gesehen. Was Mike auf die Idee brachte, mit den neuen Fähigkeiten der Multimedia-Maschine das erste Desktop Video Programm zu kreieren. Amiga Disketten fassten 1,4 MB, weshalb Mikes Deluxe Video nicht mit heutiger Videobearbeitungssoftware vergleichbar ist. Aber es ermöglichte dem Anwender spielend leicht animierte Grafiksequenzen zu erschaffen. Dank seiner Beziehungen zu EA, übernahm der Branchenriese den Vertrieb von Deluxe Video. Es verschaffte Granite Bay Software einen gelungenen Start und Electronic Arts enormen Umsatz.
Als technisch orientierter Programmierer überlegte sich Mike für seinen folgenden Einstieg in die Videospielindustrie einen Flight Simulator ähnlich SubLogics Vorbild zu entwickeln. Aber IBM cancellte sein „Fly“ nach wenigen Monaten. Mike war jedoch nicht gewillt, die Flugsimulator Idee einfach zu verwerfen. An der Stelle kam erneut Trip Hawkins ins Spiel. Trip war ein gewaltiger Fan von Dan Grolins, wenige Jahre zuvor erschienenen, Choplifter für den Apple II gewesen. Er liebte das Gefühl einen Helikopter steuern und damit Leute retten zu können. Also schlug Trip Mike vor diesen Ansatz zu verfolgen.
1990 war außerdem das Jahr, indem Trip einen äußerst lukrativen Vertrag mit Sega abschloss und EA so dem Mega Drive zuwandte. Weshalb er Mike nahelegte, Segas 16-Bit-Konsole zu seiner Zielplattform zu machen. Mike war bereits geübt im Umgang mit der Assembler-Programmierung von Motorolas 68.000er Prozessoren. Dem Herzstück des Mega Drives, Apple Macintoshs und Commodore Amigas. So begann er die „Beirut Breakout“ Programmierung an einer von EAs Artist Workstations. Einem Apple Macintosh, der dank Trips Reverse-Engineering direkt mit einem programmieren Cartdrige im Mega Drive verbunden war.
Mike war gelernter Ingenieur für Elektronik und Mechanik. Er besaß darin sogar einen Doktor-Titel als auch in Elektromechanik. Er hatte, bis Trip es vorschlug, nicht mal Choplifter gesehen und laut eigener Aussage nie ein Shoot’em’up gespielt, weil ihn die flachen 2D Scroller abstießen. Das verlieh Mike eine gänzlich andere Herangehensweise bei der Entwicklung seiner Game Engine. Er fing an Trip Hawkins Choplifter-Idee zu realisieren. Wie der Choplifter aktivierte sein Helikopter, wenn er langsamer flog, eine Seilwinde, und sammelte Leute ein. Dabei wählte er eine isometrische Perspektive. Da sie ihm das Gefühl von 3D gab, ohne diese tatsächlich aufwändig berechnen zu müssen. Normalerweise fokussierten Spiele mit dieser Ansicht das Hauptgeschehen, also den AH-64 Apache Helikopter, aufs Zentrum und das mit klobigen Sprites. Aber Mike war die 320×240 Auflösung ohnehin schon zu klein. Er wollte mehr herauskitzeln. Weshalb er an die Matchbox Autos seiner Kindheit zurückdachte und gewissermaßen aus dem Geschehen heraus zoomte bis der Apache die Größe einer Wespe hatte. Neben der Helikopter-Physik selbst, verbrachte Mike dabei viele Monate mit dem dynamischen Kamerasystem, welches die Flugbahn vor dem Helikopter ins Zentrum rückte und den Apache je nach Ausrichtung und Fluggeschwindigkeit an den Rand verschob. Ein Feature, das Beirut Breakout erst auf die AAA-Stufe hob. Ein Jahr lang schrieb Mike an dieser ersten Demo für Trip. Lediglich unterstützt von seinem Freund Tim Calvin. Tim war eigentlich Zahnarzt, konnte wegen der Erstellung von Zahnprotesen jedoch mit 3D Modelling Software umgehen und wurde so zu Mikes Grafiker. Mike kaufte den Revell Bausatz eines AH-64 Apache Helikopters und Tim wandelte ihn ein Drahtgittermodell mit Texturen um.
Begeistert von dem was Mike kreiert hatte, stellte Trip ihm Blockout Produzent John Manley zur Seite. Gemeinsam erfanden sie eines der ersten Sandbox Formate. Sie betitelten es „Situation Normal: All Fucked Up“. Denn SNAFU gestattete es dem Spieler frei in der Welt zu agieren. Informierte ihn jedoch, wenn er etwas tat, was die Mission gefährdete. Mike hasste das typische Spielautomaten-Shooter-Konzept, mit seinen linearen Leveln und Endbossen. John schlug vor dem Spiel zwar eine fortlaufende Geschichte zu verleihen, sie aber mit Puzzle-Elementen zu versetzen und ihm Nebenaufgaben für jede Mission zu geben. Statt Power-Ups für neue Waffensysteme wie in R-Type aufzulesen, musste sich der Spieler darum kümmern, mit seiner Seilwinde immer wieder Treibstoff und neue Raketen aufzulesen oder seine Panzerung nach Treffern reparieren zu lassen.
John schrieb ebenfalls die „Beirut Breakout“ Story, welche sich um den bis 1990 andauernden libanesischen Bürgerkrieg drehte. Als die Amerikaner mit ihrer Operation Desert Shield jedoch Anfang 1991 in Kuwait einfielen, verschob er das Szenario auf den persischen Golf und ließ General Kilbaba in einen unbenannten Golf-Staat einfallen. Das gab Beirut Breakout ebenfalls seinen finalen Spiel-Titel: Desert Strike. In vier halbstündigen Kampagnen zerstörte der Spieler feindliche Flughäfen, chemische Waffen, Nuklearwaffenbauteile und befreite selbstverständlich obendrein Kriegsgefangene. Ansprechend untermalt von kurzen animierten Zwischensequenzen a la Wing Commander.