Als Sega 1988 ihre Spielautomaten-Hardware in eine kompakte Spielkonsole fürs Wohnzimmer presste, entfachten sie den großen Konsolen-Krieg. Der Launch des Mega Drives verwandelte Sega vom engagierten Mitstreiter über Nacht zum Branchenführer. Aber mit ihrem unerbittlichen Hunger nach technologischem Fortschritt brachten sie sich innerhalb weniger Jahre selbst zu Fall. Was ihnen am Ende blieb war die blaue Ikone Sonic und eine Reihe herausragender Videospiel-Franchises. Begleitet uns in den kommenden Minuten auf eine Reise zur Geburt des Mega Drives und seines Maskottchens Sonic the Hedgehog.
Lange vor den ersten elektronischen Videospielen hatte sich Sega Enterprises unter David Rosens Führung in Japan und den USA zu einem der führenden Automatenhersteller gemausert. Mit ihrem mechanischen U-Boot Simulator Periscope, definierten sie bereits 1965 25 Cent als Standardpreis für Spielhallen-Matches. Bis zu den 80ern florierte Sega und setzte mit einem elektronischen Automaten nach dem anderen Weltrekorde. Die Erfindung der isometrischen Perspektive in Videospielen mit Zaxxon, brachte ihnen allein in dem Jahr 215 Millionen Dollar Umsatz ein und machte sie zu einem der fünf größten Videospielhersteller der Welt.
Doch dann kam Donkey Kong. Ausnahmsweise kein Sega Spielautomat. Sondern Nintendo Amerikas Notlösung zur Verwertung ihrer unverkauften Radar Scope Automaten und gleichzeitig deren größter spontaner Wachstum. Mit diesem einen Spiel, ließ der japanische Konkurrent Segas bisherige Laufbahn wie Fliegendreck in den Finanzberichten aussehen. Ähnlich verlief es bei den heimischen Konsolen. Sega als auch Nintendo veröffentlichten ihre erste Spielkonsole am gleichen Tag in Japan. In den Sommermonaten 1983 lag Segas SG-1000 mit 160.000 Verkäufen vorne. Aber nachdem Nintendo ihr Famicom auf Selbstkosten zurückgerufen und nachgebessert hatte, überholte es das SG-1000 noch im selben Jahr mit 400.000 verkauften Exemplaren. Sega Japans Chef, Hayao Nakayama, rüstete ihre Konsole mit dem SG-1000 Mark II ebenso auf, jedoch ohne merklichen Erfolg. Das 1985 folgende Mark III, im Rest der Welt besser bekannt als Sega Master System, übertraf Nintendos 8-Bit Konsole technisch in beinahe jeder Hinsicht. Aber innerhalb der zwei vergangenen Jahre, hatten Shigeru Miyamotos Mario Schöpfungen Nintendo bereits einen derart großen Marktanteil gesichert, dass Sega auf dem japanischen und nordamerikanischen Markt keinen Boden mehr gewann.
Zumindest nicht in Bezug auf die Spielkonsolen. Denn in den Spielhallen lief es genau umgekehrt ab. Dort hatte der Name Nintendo lediglich ein Mal aufgeblitzt. Wohingegen Sega mit ihrer System-16 Automatenreihe einen Hit nach dem anderen feierte. Rasend schnelle und Actionreiche Titel wie Space Harrier, Outrun oder After Burner ließen Nintendos psychedelischen Klempner wie Kinderspielzeug wirken. Genau das gleiche versuchte Segas Technikexperte, Masami Ishikawa, mit dem Mark V zu verwirklichen. Eine Konsole, die Kompatibilität zum Master System gewährleistete und gleichzeitig an die Performance der System-16-Platinen ihrer Automaten ran kam (Fantasy Zone, Shinobi, Alien Syndrome, Altered Beast und Golden Axe). Die wichtigste Entscheidung, die Masami bei der Entwicklung des Mark V oder Mega Drives traf, war die Wahl des Prozessors: Ein Motorola 68.000. Die gleiche CPU, die Segas Automatenhits wie Hang-On antrieb. Hayao Nakayama gelang es einen äußerst günstigen Preis für die CPU bei Signetics auszuhandeln, indem er eine Initial-menge von 300.000 Stück abnahm. Die Kombination der hohen MC-68000 Taktrate, sowie separaten Grafik- und Sound Chips, machte das Mega Drive zu einer schnelleren Konsole, als das erst zwei Jahre später folgende Super Nintendo. Zwar konnte Ricohs 5A22 CPU, der Nintendo Maschine, beinahe genau so viele Instruktionen pro Sekunde durchführen, aber das Mega Drive besaß einen breiteren Datenbus, schnelleren Speicher und gesteigerte arithmetische Leistung. Sein Visual Display Prozessor sorgte für eine 45% höhere Auflösung als beim Master System und konnte zwei Hintergrundebenen gleichzeitig samt 80 Sprites darstellen. Dieses Mehr-Ebenen-Scrolling ermöglichte es den Spieleentwicklern eine bildliche Tiefe zu simulieren. Das alles wohlgemerkt für lediglich 21.000 Yen oder 200$.
Segas erstes Spiel, was diese technische Überlegenheit demonstrierte, wurde Altered Beast. Eine Mischung aus Platformer und Beat’em’up, gespickt mit einem Heldenduo, das in jeder der fünf Welten zu anderen Tieren mutierte. Altered Beast Erfinder und Junior-Designer Makoto Uchida, musste volle sechs Monate auf ein freies Programmierteam warten, was ihm ausreichend Zeit gab, über Konzept und Grafikpracht nachzudenken.
Der oder die Helden schlugen sich auf einer Ebene seitlich scrollend durch Monsterhorden. Zu den an ihnen vorbei schnellenden Feinden, zählten u.a. weiße Wölfe. Gelang es den Spielern drei dieser Biester zu stoppen und deren Power-Ups zu kassieren, stieg nicht nur die Körpermasse und Fähigkeitenpalette, sondern ihr Zenturio verwandelte sich im finalen dritten Schritt in einen Werwolf, Drachen, Bär oder Tiger. Dargeboten in einer separaten Verwandlungssequenz, an welcher der leitende Grafiker allein einen Monat feilte. Altered Beast machte nicht nur Gebrauch von übergroßen Sprites, sondern ließ die zerschlagenen Feinde obendrein in einer Explosion aus Körperteilen untergehen. Das entscheidende Feature des zuerst veröffentlichten Spielautomaten sollten jedoch druckempfindliche Buttons werden, über die eine Vielzahl von Angriffen ausgelöst werden konnten. Als klar wurde, dass der Patentinhaber sie jedoch nicht in der gewünschten Stückzahl produzieren konnte, verlor Altered Beast die Hälfte seiner Angriffe. Was das Gameplay nach einigen Spielminuten für viele Spieler eintönig werden und bei Sega den Wunsch nach einem Nachfolger verblassen ließ. Die Mega Drive Portierung wurde jedoch zum grafisch eindrucksvollsten japanischen Launch Titel und sollte deshalb auch bei den folgenden weltweiten Releases mit der Konsole gebundelt werden.
Mit gerade einmal vier Spielen (Altered Beast, Osomatsu-kun, Space Harrier II und Super Thunder Blade) brachte Sega ihr 16-Bit Wunder am 29. Oktober 1988 auf den japanischen Markt. Ungeachtet das Magazine wie Famitsu oder Beep! die Konsole in den Himmel lobten, überschattete Nintendos Super Mario Bros. 3 Release, eine Woche zuvor, die gesamten Verkäufe. Kinder und Eltern stürmten in die Läden, um Nintendos alte 8-Bit Konsole oder NECs PC-Engine zu kaufen. Denn auch wenn sie den USA und Europa kaum zu Ruhm gelangte, war auf den Monate genau ein Jahr zuvor die PC-Engine als erste 16-Bit Spielkonsole in Japan gestartet und hatte das Land im Sturm erobert. 1988 als Sega froh war, 400.000 Mega Drives unters Volk gebracht zu haben, hatte NEC bereits eine Million mehr verkauft und ab 89 würden sie sogar doppelt so viele wie Nintendo verkaufen.