Als der Amiga 1985 auf den Markt kam und ihn Commodore mit 4096 Farben sowie digitalem Stereo Sound anpriesen, rannten viele in die Geschäfte, um sich dieses revolutionäre Stück Hardware zu kaufen. Aber auch ein Jahr später gab es selbst von Branchenriese Electronic Arts nur leicht aufgewertete Portierungen der bekannten 8-Bit Titel. Doch dann kam das Blockbuster-Spiel: Defender of the Crown. Dieses und die folgenden Cinemaware Spiele revolutionierten die Industrie, in dem sie das Potential von Film- und Fernsehadaptionen für Computerspiele demonstrierten und die ersten interaktiven Filme hervorbrachten.
1982 gab der 32-jährige Robert Jacob sein Geschäft in Chicago auf und zog mit seiner Frau Phyllis nach Los Angeles. Er hielt sich zufällig bei der Thousand Oaks California Public Library auf, als die gerade einen Haufen Computer bekommen hatten und sah wie unzähligen Kinder von den Geräten angezogen wurden. Beeindruckt von deren Faszination, beschäftigte Bob sich selbst mit Computern, kaufte sich einen PC und landete einige Zeit später in User Groups von Software-Entwicklern. Diese jungen Programmierer waren nicht in der Lage sich selbst zu vermarkten, deshalb beschloss Bob den Part zu übernehmen. Er gründete die Robert Jacob Agency und wurde quasi der typische Hollywood Agent, nur eben für Computerspiele. Was bedeutete, er finanzierte C64 Projekte, die meist von einem Programmierer und eventuell einem zusätzlichen Grafiker entwickelt wurden, mit 10.000 – 15.000 Dollar aus seiner eigenen Tasche und vermarktete die fertigen Spiele an Firmen wie Activision, Epyx oder Mindscape. Bob ging dieser Tätigkeit mehrere Jahre nach, bis 1985 der Commodores Amiga erschien.
Bob hatte einige Zeit zuvor einen Anruf von Island Graphics bekommen, die damit beauftragt waren, ein Malprogramm für den Launch des Amigas zu programmieren. Doch Auftraggeber und Programmierer hatten sich verstritten und so musste Bob eine neue Firma für Island Graphics finden. Als er in Islands Büro den Prototyp des Amigas sah, wurde Bob klar, dass diese Hardware die Zukunft der Spiele verändern würde. Er beschloss nicht länger nur ein Beifahrer zu sein, sondern selbst in die Spieleentwicklung einzusteigen.
Bob verbrachte ein Jahr damit in Salt Lake City und Umgebung mehrere Millionen Dollar von verschiedenen Investoren, überwiegend Ärzten, zusammen zu sammeln, um damit eine Reihe von Spielen und eine Vertriebsfirma zu eröffnen. So gründete er zusammen mit seiner Frau Phyllis im Januar 1986 Master Designer Software. Ein Name, der das Ego der Entwickler ansprechen sollte. Cinemaware war der Titel seiner ersten Themenreihe. Würde sie Erfolg haben, sollten weitere Themenbezogene Produktreihen folgen. Bob schloss im gleichen Monat einen Vertrag mit Mindscape ab, seine vier Spiele am 15. Oktober 1986 auszuliefern. Genau zum richtigen Zeitpunkt, um den größtmöglichen Gewinn durch das Weihnachtsgeschäft einzufahren. Diese vier Spiele sollten teilweise auf unterschiedlichen Systemen zu erst erscheinen und hatten, da Bob ein gewaltiger Hollywoodflimfan war, einen individuellen thematischen Filmhintergrund. Defender of the Crown, was mittelalterlichen Rebellen wie Robin Hood gewidmet war, sowie Sinbad and the Throne of the Falcon, das auf Arabian Nights Filmen basierte, sollten Amiga Spiele werden. King of Chicago, inspiriert von Mafia Filmen, sollte für den Macintosh erscheinen und S.D.I., das Kalter-Krieg Geheimagentenfilme-Abenteuer, für den Atari ST programmiert werden. Diese Spiele gab Bob bei unterschiedlichen Leuten in Auftrag. Sculptured Software aus Salt Lake City, die bislang nur Portierungsaufträge ausgeführt hatten, bekamen Defender of the Crown und SDI. Sein bisheriger Klient Doug Sharp übernahm King of Chicago und ein weiterer von Bobs Agentur-Kunden, Bill Williams, übernahm den Sindbad Auftrag.
Defender of the Crown spielte in einem mittelalterlichen England, das deutlich mehr Bezüge zu Filmvorlagen als der wirklichen Geschichte hat. Es war mehr eine Mischung aus Walter Scott’s Ivanhoe und Robin Hood. Der Spieler verkörperte einen tapferen sächsischen Lord im Kampf gegen die Normannischen Widersacher. Er spielte grundlegend Risiko auf einer Karte Englands. Nur das der Strategieteil von einer Handvoll aktionsorientierter Minispiele durchzogen war, die durch seine eigenen und gegnerischen Aktionen ausgelöst wurden. Berittene Turniere mit Lanzen, ein mitternächtlicher Einbruch ins Schloss oder die Belagerung einer Burg mit Katapulten.
Um all das zu realisieren, beauftragte Bob neben Sculptured Softwares Programmierung Jim Sachs für die Grafiken und gab ihm den in Hollywood gewohnten aber für Spiele neuen Titel eines Art Directors. Jim Sachs hatte auf dem C64 das grafisch gutaussehende und spielerisch fragwürdige Saucer Attack programmiert, was ihm zusammen mit seiner Time Crystal Demo bei Commodore den Entwicklerstatus und damit vor Release bereits Zugriff auf die Amiga-Hardware gegeben hatte. Was Jim zu dem Zeitpunkt vermutlich zum weltbesten Zeichner von Amiga Grafiken machte. So hatten Bob und Jim Sculptured Software bis Juni 1986 mit einem gewaltigen Berg atemberaubender Computergrafiken beliefert. Doch bis dahin kam nichts aus Salt Lake City zurück. Also flog Bob zu ihnen rüber und musste feststellen, dass das Team noch gar nichts zu Stande bekommen hatte. Die neue 68.000er Architektur des Amigas schien die Programmierer vor unlösbare Probleme zu stellen. Das führte dazu, dass Bob seinen ersten festen Angestellten, John Cutter, einstellte. Der Spezialist für Sportspiele, welcher durch Activisions Übernahme gerade von Gamestar entlassen wurde, hatte deutlich mehr Fachkenntnis in Bezug auf die Technik und Analyse. John Cutters erste Aufgabe wurde es Sculptured Software gänzlich von Defender of the Crown zu trennen. Da sie mit SDI auf dem ST etwas besser voran kamen, durften sie es weiter bearbeiten. Aber ebenfalls unter Johns strenger Aufsicht. Für Defender heuerte Bob nun Robert J. Mical an, den Entwickler des Amiga Betriebssystems und ersten Amiga-Malprogramms GraphiCraft. Bob bot Robert 26.000$, wenn es ihm gelänge sämtliche Grafiken von Jim Sachs und die Musikstücke, die er hatte komponieren lassen, innerhalb von drei Monaten in ein fertiges Spiel verwandeln würde. Robert antwortete darauf: I’m your man.
Für seine Spielentwicklung, die zum Mical Game System führen würde, schrieb Robert zunächst den Aegis Animator. Ein Programm was die Zwischenschritte einer Animation berechnete. Das heute als Tweening bekannte Verfahren wurde Jahre später zum Grundbaustein von Macromedia Flash. Die Arbeiten an Defender of the Crown wurden laut R.J. Mical jedoch deutlich umfangreicher als von Bob behauptet und da die Deadline vom 15. Oktober unausweichlich war, musste er viele Spielelemente kürzen. Mit dem Endergebnis war R.J. Mical dermaßen unzufrieden, dass er sogar seinen Namen aus den In-Game-Credits fern hielt. Tatsächlich wurde die zu erste veröffentlichte Amiga Version die grafisch beste, aber spielerisch schlechteste von allen und nur wenige Spieler fanden heraus, wie dort die Lanzen- oder Schwerter-Duelle des Spiels funktionierten. Nichts desto trotz verkaufte Defender of the Crown 20.000 Exemplare vor Jahresende. Eine beeindruckende Zahl, da der Amiga zu dem Zeitpunkt 2.000$ kostete und Commodore erst ca. 100.000 Amigas verkauft hatte. Die Verkäufe stiegen im nächsten Jahr auf stolze 250.000 Exemplare an. Cinemaware portierte Defender of the Crown danach auf Amstrad, Apple II, Atari ST, C64, MS-DOS und Macintosh. Ironischerweise wurden diese spielerisch deutlich besser, da Cinemaware die ganzen Programmierprobleme der Amiga-Fassung behob. Die Atari ST Version von Defender of the Crown bot bei der Belagerung z.B. eine Auswahl von Geschossen, die vom normalen Stein über griechisches Feuer bis hin zu Seuchenbomben reichten. Zudem konnte beim Fechten pariert werden und Balken zeigten an wie schnell Angreifer und Verteidiger ihre Energie verbrauchten.
Der typische Käufer der Cinemaware Spiele war 32 Jahre alt und männlich. Nun, das konnte Bob bei der Entwicklung seines ersten Spiels noch nicht wissen. Aber 1986 war ebenfalls das Jahr in dem Sex Einzug in Videospiele fand und Defender of the Crown war in dieser Hinsicht grafischer als die meisten. Kurz nach der Veröffentlichung gab es im Amazing Computing Magazin die Behauptung, das Spiel würde sogar eine interaktive Liebesszene beinhalten, in der Mausgesten für bestimmte Aktionen ausgeführt werden mussten. Auch wenn die daraufhin konsultierten Designer und Programmierer sagten, dass sämtlicher derartiger Code gänzlich entfernt wurde, wurden Liebesbeziehungen ein wichtiger Bestandteil der zukünftigen Cinemaware Titeln und die Anzeigen der Spiele warben gerne mit vollbusigen Damen.