Zum Anbruch der Adventure Ära beeindruckte eine Gruppe französischer Entwickler auf dem Amiga und Atari ST mit cinematischen Point-And-Click-Abenteuern. Sie setzten ihren Feldzug auf den Konsolen mit Plattformern fort, die ebenso eindrucksvoll mit Geschichtsbedingten Zwischensequenzen gespickt waren. Der Sprung in die 3D Welten gelang ihnen mit Fade to Black und einer langen Reihe von Motorrad-Rennspielen. Erlebt in den kommenden Minuten die Geschichte von Delphine Software International.
Der Ursprung von Delphine Software ist Lucasfilm Games ähnlich, nur das ihr Gründer, Paul de Senneville, französischer Musiker und kein Filmemacher war. Zunächst als Journalist und dann Fernsehproduzent tätig, wendete er sich anschließend seiner Liebe, der Musik, zu. 1962, im Alter von 29, schrieb er seinen ersten Song, trug von da an zur musikalischen Untermalung von Filmen bei und verhalf anderen Künstlern zu ihren Karrieren. Eine der berühmtesten von Paul komponierten Melodien ist zweifellos die “Ballade pour Adeline”, welche von Richard Clayderman und später Frank Duval benutzt wurde. Obwohl der Großteil seiner Filmmusik dem fränzösischen Film zu gute kam, steuerte Paul ebenso instrumentale Stücke zu Hollywoodstreifen wie “Die Bourne Identität” bei. Sein 1976 gegründetes Delphine Records Label, benannt nach seiner Tocher Delphine Deschodt, expandierte schnell in Delphine Productions, einer Gruppe aus 15 Firmen unterschiedlicher Branchen, beginnend mit einer Casting und Modell Agentur bis hin zu einer Werbeagentur.
Parallel dazu entdeckte Paul Cuisset 1981 während seiner Studentenzeit am University Institute of Technology die Welt der Computerspiele am Apple II und C64. Zu seinen Lieblingen zählten Elite und Lode Runner. Als die Zeit der 16-Bit Computer anbrach und Paul Cuisset auf den Atari ST umstieg, schrieb er zusammen mit seinem Freund Patrick Guillement das erste eigene Spiel. Phoenix war ein simples Weltraum-Actionspiel mit Gitternetz-Grafik, bei dem der Spieler mit Fallen gespickte vergessene Weltraumstraßen wieder zugänglich machen musste. ERE Informatique, eine der ersten französichen Videospielefirmen, veröffentlichte Phoenix 1987. Im Folgejahr lernte Paul durch regelmäßige Besuche eines Pariser Zeitschriftenladens Zeichner Michael Sportouch und Coder Denis Mercier kennen. Sie schlossen Freundschaft und programmierten zusammen den Arkanoid Klon Tonic Tile. Micheal war zu der Zeit erst 17, aber schon ein gewiefter Verkäufer und so zog er beim Versuch Elite Systems zum Tonic Tile Vertrieb zu überreden einen Portierungsauftrag an Land. Die Atari ST Konvertierung von Segas Space Harrier. Paul leistete währenddessen seinen Wehrdienst ab, war dafür jedoch in Paris stationiert und programmierte so in den Abendstunden. Der Portierungsprozess war einer illegalen Kopie ähnlicher als alles andere. Da sie von Sega keinen Quellcode oder Unterlagen bekamen, sondern lediglich ihre NES Version optisch am Atari ST nachbauten. Elite Systems zweiten Auftrag, eine Portierung von Thunder Blade, lehnten sie ab, weil sie bereits an ihrem nächsten eigenen Spiel Bio Challenge arbeiteten.
Bio Challenge, war ein horizontal Scrollendes Jump’n’Run, bei dem der Spieler sich auf ungewöhnliche Weise der Gegner erwehren musste. Die in wirren Mustern durch die Luft fliegenden Objekte, konnte der Roboter mit Menschenhirn durch eine Wirbelwindartige Drehung vernichten und die am Boden kriechenden Gegner musste er durch herabstürzende Plattformen erschlagen. Durch letzteres sammelte die Spielfigur Teile einer Maske ein, welche ihn den Level beenden ließen. Bio Challenge war spielerisch noch nicht sonderlich gut und erzielte lediglich Wertungen im 70% Bereich. Aber es glänzte zumindest bereits durch ein vier Ebenen Parallax Scrolling sowie eine Palette von 160 Farben, was für 1988 technisch beeindruckend war.
Für die musikalische Untermalung ihres ersten Spiels, Tonic Tile, hatte Grafiker Michael Sportouch seinen Bekannten Jean Baudlot um Hilfe gebeten. Der hatte zu dem Zeitpunkt bereits Musikstücke für verschiedene Labels wie Polydor und Delphine Records komponiert und entdeckte gerade erst die Welt der Computermusik. Da Jean ebenso zu Paul de Sennevilles Freunden zählte, überredete er Delphine Records Bio Challenge zu publizieren. So wurde Delphine Software International geboren und das kleine Team bezog 1988 Büros nahe der Champs-Elysées von Paris.
Während Paul über sein nächstes Werk nachdachte, entwickelten die anderen Castle Warrior. Darin schlüpfte der Spieler in die Rolle von Edred the Brave, der in sechs Leveln einen Trank vom bösen Zauberer Zandor ergattern musste, um seinen vergifteten König zu retten. Dafür lief er schier endlos lange Korridore entlang und vernichtete die ihm entgegenkommenden Feinde mit umständlicher Joysticksteuerung.
Zur Zeit von Lucasfilm Games Zak McKracken plante Paul Cuisset ebenso die Weiterentwickelung der damaligen Text-Adventures, da er ein riesen Fan von The Hobbit auf dem Apple II gewesen war. So begann er 1988 mit der Programmierung von Time Travelers: The Menace, in Deutschland besser bekannt als Future Wars. Entgegen der Zweiteilung des Bildschirms, wie sie Ron Gilbert’s SCUMM Spiele machten, lies Paul den Spieler durch klicken des rechten Mousebuttons ein Menü öffnen, über das er mit Operate, Examine, Take, Use Befehlskonstrukte erzeugen konnte. Das gab dem französischen Future Wars ein optisch besseres Erscheinungsbild, als bei der amerikanischen Konkurrenz von Lucasfilm und deutlich mehr Komfort als dem gängigen Sierra Adventure. Da die anderen bei Delphine mit Castle Warrior beschäftigt waren, suchte Paul für Future Wars einen Grafiker. Einer seiner Kollegen, der kürzlich bei Chip gearbeitet hatte, empfahl Paul Eric Chahi. Als Paul das Cover Art dessen Jean d’Arc sah, wusste er, dass Eric der richtige war.
Eric war zu dem Zeitpunkt schon länger im Computerspiele Buisiness als Paul selbst. Er hatte bereits 1983 mit einem ZX81 zu programmieren angefangen und dort seine ersten eigenen Shoot’em’ups Frog und Carnaval programmiert. Ein Jahr später entdeckte er seine Leidenschaft fürs Zeichnen und Animieren und war 1987 als Grafikdesigner für die junge französische Firma Chips tätig gewesen. Da er jedoch seine eigenen Spiele entwickeln wollte, kündigte Eric wieder und wurde Anfang 1989 zum Freelancer, als welchen ihn Paul Cuisset anwarb. Mit Eric als Grafiker, Jean Baudlot als Musiker und Paul Cuisset als Programmier entstand so innerhalb eines Jahres die Adventure Engine Cinematique und ihr erster Sprößling Future Wars.
Es machte den Spieler zum Fensterputzer, der 1989 mit seinem Außenlift an an der Fassade eines Wolkenkratzers hing und von seinem Boss angeschrienen wurde. Bei dem folgenden Versuch seinem Chef einen Streich zu spielen, entdeckte er den geheimen Eingang zu einem Raum mit einer merkwürdigen Maschine. In welchem er zudem Dokumente in einer außerirdischen Sprache fand. Die seltsame Maschine versetzte den Spieler ins Jahr 1304, wo er eine vermeintliche Jungfrau in Nöten vor Mönchen rettete. Diese entpuppte sich anschließend als Zeitreisende, erzählte ihm von einer Zeitbombe und brachte den Spieler ins 44. Jahrhundert, wo er die Crughons bekämpfen musste.
Der Zeitreise Ansatz war Pauls humoristischer Ansatz für die Auslöschung der Dinosaurier, da die Crughons Bomben in verschiedenen Epochen platzierten, die der wiederum Spieler entschärfen musste. Was ihm nur bei den Dinosauriern nicht gelang. Es ging Paul darum bekannte Ereignisse zu nehmen und sie zu verändern. Ursprünglich hatte er angedacht, die Fehler eines anderen Zeitreisenden zu korrigieren zu wollen, aber das entpuppte sich im Nachhinein als zu komplexes.
Future Wars wurde ein äußerst gelungenes Adventure für die Zeit, das durchschnittlich 90% Wertungen erhielt und für seine gute Story gelobt wurde. Es gab dem Spieler jedoch kaum Hinweise auf die Rätsel oder gar aktuelle Aufgabe und ließ ihn, wie in Sierra On-Lines damaligen Adventures, häufig sterben. Trotz der kleinen Mankos wurde Future Wars beim Release im August 1989 zum ersten Hit von Delphine Software International. Weshalb Paul de Senneville Paul Cuisset zum Creative Director von Delphine machte.