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Revolution Software – Der 2D Adventures Fluch

by Pandur
1990 setzte die Sternstunde der Point-and-Click-Adventures ein. Sierra On-Line belieferte den Markt bereits seit Jahren mit ihren Parser-gesteuerten-Adventures. Dann kamen aus den USA Lucasfilm Games mit Maniac Mansion, Indiana Jones und Monkey Island hinzu, die Westwood Studios schlossen sich mit Legend of Kyrandia an und noch davor etablierte sich die Franzosen mit Future Wars und Operation Stealth. Alle mit ihrem eigenen neuen Point-And-Click-Verfahren. Nur Großbritannien hatte noch keinen derartigen Vorreiter. Etwas das Charles Cecil ändern wollte, indem er endlich seine eigene Firma gründete: Revolution Software

Charles war eher zufällig in die Computerindustrie gestolpert. Während seines von Ford gesponsorten Maschinenbaustudiums an der Universität von Manchester, hatte sein Studienkollege Richard Turner das ROM eines Sinclair ZX80 zerlegt. Das Ergebnis war für die beiden äußerst beeindruckend und ermöglichte ihnen interessante Einblicke in die Programmierung von Maschinencode. Richard gründete mit einem anderen Kollegen in der kleinen Küstenstadt Hull Artic Computing und lud Charles ein, neben dem Studium Text-Adventures für sie zu programmieren. Da Studenten immer knapp bei Kasse waren, schrieb Charles 1981 mit Inca Curse, Artics „Adventure B“, sein erstes Spiel. Es folgten Adventure C und D, oder auch Ship of Doom und Espionage Island. Für damalige ZX Spectrum und Amstrad Verhältnisse, sehr erfolgreiche Spiele.

1985 hatte Charles sein Studium abgeschlossen und war zum Leiter von Artic Computing aufgestiegen. Unter den Einsendungen neuer Spiele befand sich zu der Zeit Obsidian. Ein Action-Adventure vom gerade mal 16-jährigen Tony Warriner, der zufälligerweise unweit von Artic in Hull wohnte und vom Design, über Programmierung bis hin zu den Soundeffekten alles an Obisidian allein gemacht hatte.
Obsidian war ein 50 Bildschirme großes Weltraum-Abenteuer, bei dem der Spieler im Inneren eines Asteroiden mit seinem Jetpack nach Treibstoff suchen musste, damit die Schilde der Obsidian-Station einem schwarzen Loch widerstehen konnten. Es basierte hauptsächlich darauf, dass der Spieler Schlüssel entdeckte und herausfinden musste, was sich damit öffnen ließ. Obsidian war ein Labyrinth aus Puzzeln, bei dem der Spieler ständig vor und zurück durch die Landschaft flog, um das gefundene Objekt zur richtigen Position zu bringen. Nicht nur der Umstand, sondern ebenso die begrenzten Treibstoffreserven sowie wohl platzierten Tankstellen, zwangen den Spieler dazu, selbst Karten des Spiels zu zeichnen und jeden Schritt mit Bedacht zu planen. Ein äußerst abwechslungsreiches Prinzip, im Gegensatz zu den damals sehr linearen Spielen.

Mit 23 gründete Charles 1986 seine erste eigene Spieleentwicklungsfirma: Paragon Programming. Deren nennenswertestes Spiel die Spectrum Version von Indiana Jones and the Temple of Doom war. Paragons Zusammenarbeit mit U.S. Gold ließ Charles ein Jahr später die Firma aufgeben und zum Publisher bei U.S. Gold werden. Wo er 1987 von Activision als Leiter der Entwicklung abgeworben wurde. Activision UKs damalige Geschäftsführerin, Noirin Carmody, hatte die Sierra On-Line Adventures in Europa etabliert und wurde Charles Ehefrau. Zusammen mit Obsidian Programmierer Tony Warriner und dessen Freund David Sykes gründeten Charles und Noirin am 23. März 1990 über der Spielhalle gegenüber des Bahnhofs von Hull Revolution Software. Finanziell sowohl unterstützt durch ein 10.000 Pfund Darlehen von Charles Mutter als auch Mirrorsoft. Mirrorsoft war durch die europäische Vermarktung von Tetris, der amerikanischen Cinemaware Produktpalette, als auch der Produktion von Bitmap Brothers Spielen, wie Speedball 2 oder Xenon 2, zu Ruhm gelangt. Als Mirrorsoft Geschäftsführer, Sean Brennon, hörte, dass Charles ein Studio für Point-and-Click-Adventures gründen wollte, bot er augenblicklich seine Unterstützung an.

Charles wollte zu der Zeit etwas Originalität in die typischen Sierra Adventures bringen, da es ihm zu blöd schien, König Graham zum sechsten Mal aus einer Reihe von unglaubwürdigen Umständen zu retten. Also kam er auf die Idee ein Adventure zu schreiben, dass sich selbst nicht sonderlich ernst nahm, aber durchaus eine ernstzunehmende Geschichte bot. Etwas zwischen dem typischen Sierra und Lucasarts Adventure. Eine qualitativ gute Story war bei einer düsteren Farbpalette aus grau und braun, wie sie Lure of the Temptress bot, auch dringend von Nöten. Ein Umstand der jedoch hauptsächlich auf die 16-Farben Limitation des damaligen Atari ST zurückzuführen war. Was dem Spiel farblich fehlte, machte es technisch durch seine Echtzeit-Spielwelt wieder wett. Die von Tony Warriner programmierte Virtual Theater Engine, ließ nicht nur Vögel und andere Tiere über die Bildschirme huschen, sondern jeden NSC seinen täglichen Routinen folgen. Figuren gingen Einkaufen und unterhielten sich mit anderen Leuten. Ein tatsächlich revolutionäres System für die damaligen Adventures. Wenn auch zur Zeit von Lure of the Temptress nicht ganz ausgereift. Denn die Kollisionsabfrage gepaart mit dem Pathfinding blockierten häufig Wege und ließen die Spielfigur Extrarunden drehen. Ebenso musste der Spieler abwarten, bis NSCs ihre Gespräche beendet hatten, bevor er selbst eine Unterhaltung mit ihnen beginnen konnte. Ähnlich gut gestaltet war das Interface der Virtual Theater Engine. Genau wie bei den Delphine Cinematique Adventures war die Grafikpracht von Lure of the Temptress Bildschirmfüllend und das Menü, entgegen der Lucafilm Konkurrenz, per Mausklick abrufbar. Ein Linksklick untersuchte das Objekt und der Rechtsklick öffnete ein Interaktionsmenü mit einer Flut von Optionen. Abgerundet wurde die Eingabemöglichekeit durch Gehilfe Ratpouch, welcher Spielfigur Diermot auf Schritt und Tritt folgte und dem Befehle erteilt werden konnten, wie z.B. knack das Schloss an der Tür oder nimm Gegenstand X von Y.
Der Spieltitel, Lure of the Temptress, entstand erst lange nach dem Großteil der Spielentwicklung, als das Team verzweifelt nach etwas suchte, was sich aus Mirrorsoft-Marketing-Sicht gut verkaufen ließe. So entstand die charismatische böse Zauberin Selena erst kurz vor Fertigstellung des Spiels, um den zufällig gewählten Titel rechtfertigen zu können. Mirrorsoft brachte Lure of the Temptress jedoch nie heraus. Was rückblickend sehr gut für Revolution Software war. Denn wäre es wenige Wochen vor Robert Maxwells Tod erschienen, wäre es vermutlich mit Mirrorsoft untergegangen. Doch glücklicherweise kam es anders. Mirrorsofts Geschäftsführer Sean Brennon wurde zum stellvertretenden Geschäftsführer von Virgin Interactive und zog Revolution Software ebenso wie weitere Mirrorsoft Klienten zum Londoner Publisher.
Als Lure of the Temptress im Juni 1992 über Virgin für Amiga, Atari ST und MS-DOS erschien, lobten die Magazine es dafür, Sierra Adventures in fasst allen Punkten zu überholen und es hieß, selbst Lucasfilm Games könne sich noch die ein oder andere Sache abgucken. ST Action kürte Lure of the Temptress sogar zum besten jemals erschienen Atari ST Adventure. Durchschnittlich lagen die Wertungen damals bei 91%.

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